Eltern bleiben
Fernsehinterview mit Dr. Ekkart Schwaiger

auf ORF 1 am 23. Februar 1998

Interviewerin:
Ob schlichte Trennung oder amtliche Scheidung: Jedes Auseinandergehen ist mit Wut, Enttäuschung, Rachegelüsten und Trauer verbunden.
Werden diese Gefühle zum Dauerzustand, sind vor allem für die Kinder Schäden vorprogrammiert. Denn sie bleiben in elterlichen Machtkämpfen meist auf der Strecke. Doch viele seelische Narben lassen sich vermeiden. Wie sich durch eine „sanfte Scheidung“ Lösungen zum Besten aller Beteiligten finden lassen, dazu jetzt der
Psychiater, Psychotherapeut und Mediator Dr. Ekkart Schwaiger.

Begrüßung
Wenn Sie sich als Mediator um eine sanfte Scheidung bemühen, was ist dann anders als bei einer herkömmlichen Scheidung?

S: Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, die Mediation als „sanfte Scheidung“ zu bezeichnen, da es in der Mediation durchaus „unsanft“ zugehen kann, wenn die beiden Parteien versuchen für sich einzustehen, worin der Mediator jeden unterstützt.

Voraussetzung für die Mediation ist nämlich, dass beide Parteien ihre Interessen eigenständig und selbständig vertreten wollen und können und dies nicht an Anwälte delegieren. In so einem oft schwierigen Trennungsgespräch kann der Mediator, insbesondere auf Grund seiner speziellen Schulung, als neutraler Dritter vermitteln. Das Ziel ist, ein gegenseitiges Verständnis und Kooperationsfähigkeit zu erreichen. Im Idealfall werden alle Fragen zu Besitz, Unterhalt und Kindern so geklärt, dass man dem Richter eine gemeinsame Vereinbarung vorlegen kann und die Kosten im Rahmen bleiben.

Womit fängt die Tätigkeit des Mediators an?

S: Als erstes wird als Grundlage für die Mediation zwischen dem Mediator und den Parteien er sogenannte Mediationsvertrag ausgehandelt. Dieser Teil braucht oft viel Zeit, weil hier die oben genannten Voraussetzungen der Mediation im Einzelfall gehört werden; damit wird auch das Tempo aus den Auseinandersetzungen und Vorwürfen genommen und es wird gegenseitiges Zuhören möglich.

Dann werden die regelungsbedürftigen Themenbereiche und die dazugehörige Bestandsaufnahme erarbeitet.

Anschließend geht es an die Konfliktlösung. Hier spielt die Trennungsdynamik eine große Rolle:
* Was sind die Gründe?
* Wie ist die „Täter“ – „Opfer“ – Dynamik?
* Gibt es „unverzeihliche  Kränkungen
* Sind beide trennungswillig?
* Ist die Kommunikation gestört?
Das alles beeinflusst deutlich die Auseinandersetzung und will zumindest stillschweigend einbezogen werden.
Schließlich wird das unter Wahrung der existentiellen Interessen beider Partner gesuchte und gefundene Ergebnis mit Hilfe von Anwälten vertraglich festgehalten.

Was ist denn aus Ihrer Erfahrung das Schwierigste an einer Trennung?

S: Dass Klarheit und Eindeutigkeit besteht, was die Trennung betrifft, also keine emotionalen Ansprüche und Vorwürfe im Vordergrund stehen.

Nur wenn die gemeinsame Vergangenheit weitgehend abgeschlossen ist, kann man sich wirklich der Zukunft und besonders dem Wohl der Kinder zuwenden.

Warum ist so eine klare Trennung ohne „emotionale Rückstände“ gerade für Scheidungskinder besonders wichtig?

S: Konflikte werden sonst über die Kinder ausgetragen:
* unerfüllte Wünsche werden über die Kinder zu erfüllen versucht,
* Kinder werden als persönliche Verbündete in den Krieg der Eltern geschickt,
* Machtkämpfe laufen über Besuchsrecht, Zahlungen etc. …..

Wie wirken sich denn solche elterlichen Machtkämpfe auf die Kinder aus?

S: Das Kind ist in einem ausweglosen Konflikt: Entscheidung für einen Elternteil bedeutet Entscheidung gegen den anderen.
Das Kind versucht deshalb, die Eltern wieder zusammen zu bringen, was aber nicht geht. Das Kind muss also die Liebe zu einem Elternteil „vergessen“….
So ein Dauerkonflikt kann beim Kind zu Entwicklungsstörungen führen. Im elterlichen Kampf ums Kind kann das Kind untergehen.

Was kann der Mediator zum Schutz des Kindes tun?

S: Helfen, ein versöhnliches Klima zwischen den Eltern zu schaffen, in dem die alten Reaktionsmuster nicht mehr im Vordergrund stehen, in dem also „Elternvereinbarungen“ entstehen können: Wochen- und Jahresplan, Aufgabenverteilung…

Kann es Fälle geben, in denen es auch dem besten Mediator nicht gelingt, zwei
Trennungswilligen zu einer sanften Scheidung zu verhelfen?

S: Wenn Gewalt oder Sucht im Spiel sind, wenn ein Teil sich nicht selbst eigenständig vertreten kann, weil er zu schwach oder krank ist, muss es von einem Anwalt vertreten werden.

Wenn Enttäuschung, ungelebter Zorn und Trauer oder Rache ein Loslassen des anderen verhindern, kann dies eventuell in einer Psychotherapie bearbeitet werden.

Die Trennungsdynamik zu verarbeiten braucht meist viel Aufmerksamkeit und damit Zeit; demnach es ist wichtig, nicht zu schnelle Vereinbarungen zu erwarten!